PARITÄTISCHER Schleswig-Holstein: „Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein!“
Unter der Überschrift „Armut in der Pandemie“ veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband (Gesamtverband) heute seinen jährlichen Armutsbericht, der traurige Gewissheit darüber gibt, wovor Expert:innen seit Monaten warnen: Noch nie wurde eine höhere Armutsquote in Deutschland gemessen als 2020. 13,4 Millionen Menschen leben in Armut – ein neuer trauriger Rekord. Am stärksten betroffen: Familien mit mehreren Kindern, Alleinerziehende und junge Erwachsene.
Angesichts des tiefen wirtschaftlichen Einbruchs im Pandemiejahr 2020 und einer sprunghaft angestiegenen Arbeitslosenquote überrascht die hohe Armutsquote von 16,1 Prozent nicht. Doch hierbei muss festgehalten werden, dass das Krisenjahr für rund vier Fünftel der deutschen Bevölkerung mit keinen finanziellen Einbußen verbunden war. Kurzarbeitergeld und diverse Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern für Selbständige und die Wirtschaft insgesamt verhinderten noch höhere Armutswerte; sie sorgten dafür, dass das Ausmaß der Armut nicht proportional zum Wirtschaftseinbruch und dem Beschäftigungsabbau zunahm.
Allerdings wurde so gut wie nichts unternommen, um im Pandemiejahr 2020 die Not derer zu lindern, die bereits in Armut und insbesondere im Bezug von Hartz IV oder Altersgrundsicherung waren. Das soziodemografische Risikoprofil bleibt somit das der Vorjahre: Nach wie vor zeigen Haushalte mit drei und mehr Kindern (30,9 Prozent) sowie Alleinerziehende (40,5 Prozent) die höchste Armutsbetroffenheit aller Haushaltstypen. Deutlich überdurchschnittlich von Armut betroffen sind Kinder und Jugendliche (20,2 Prozent) sowie junge Erwachsene bis 25 Jahre (26,0 Prozent). Erwerbslose (52 Prozent) und Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen (30,9 Prozent) sind ebenfalls sehr stark überproportional betroffen. Das gleiche gilt für Menschen mit Migrationshintergrund (27,9 Prozent) und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (35,8 Prozent).
„Der diesjährige Armutsbericht zeigt sehr deutlich, dass wir eben nicht alle gleichermaßen durch die Coronakrise betroffen und noch weit von Chancengerechtigkeit entfernt sind,“ so Michael Saitner, Vorstand des PARITÄTISCHEN Schleswig-Holstein. „Besonders bestürzend ist, dass Kinder nach wie vor das Armutsrisiko Nr. 1 in einem so reichen Land wie Deutschland sind. Und diese Kinder wurden in der Pandemie noch weiter abgehängt als ohnehin schon. Dieser Teufelskreis muss endlich durchbrochen werden, indem die Einkommensarmut von Kindern endgültig abgeschafft wird.“
Mit einer Armutsquote von 15,9 Prozent liegt Schleswig-Holstein nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt, hier empfiehlt sich ein differenzierter Blick auf die unterschiedlichen Regionen des Landes: „Maßnahmen gegen Kinderarmut werden auf Bundesebene entschieden und es bleibt abzuwarten, inwieweit die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Kindergrundsicherung armutsfest ist. Doch auf Landesebene ist es dringend geboten, sich die einzelnen Regionen, insbesondere die strukturschwachen, genauer anzusehen und aktiv dem Negativtrend entgegenzusteuern. Schleswig-Holstein ist auch, aber nicht nur der Speckgürtel um Hamburg. Ein besonderes Augenmerk der Landesregierung sollte auf traditionell armen Regionen wie beispielsweise Ostholstein liegen, wo soziale Einrichtungen wie unter anderem der Kinderschutzbund und die Lebenshilfe seit Jahrzehnten Enormes leisten, um die Startbedingungen für Kinder und Jugendliche zu verbessern.“ so Michael Saitner.
Den Armutsbericht für 2020 finden Sie hier: https://www.der-paritaetische.de/armutsbericht